Die Geschichte mit dem Hammer erfreut sich auch heute noch großer Beliebtheit. Paul Watzlawick erzählte diese Kurzgeschichte 1983 in seinem Büchlein „The situation is hopeless, but not serious“ (auf deutsch: Anleitung zum Unglücklichsein).
Vor genau 40 Jahren schrieb Watzlawick eine Art Anti-Ratgeber, als krasses Gegenstück zu einer rasant anschwellenden Flut von psychologischen Ratgebern, besonders zum Thema Glück. Ironischerweise erwies sich dieser Ratgeber bis heute als sehr erfolgreich. Das liegt wahrscheinlich an seinem kommunikativ-paradoxen Ansatz: das Gegenteil ist immer genauso wahr. Um es auf den Punkt bringen, könnte man ihn so zusammenfassen: Willst Du glücklich sein, hör auf mit den Dingen, die Dich unglücklich machen.
Die Geschichte mit dem Hammer
Für diejenigen die die Geschichte nicht kennen, oder sie sich wieder in Erinnerung rufen wollen, hier die Geschichte mit dem Hammer:
Ein Mann will ein Bild aufhängen. Den Nagel hat er, nicht aber den Hammer. Der Nachbar hat einen. Also beschließt unser Mann, hinüberzugehen und ihn auszuborgen. Doch da kommt ihm ein Zweifel: Was, wenn der Nachbar ihm den Hammer nicht leihen will? Gestern schon grüßte er ihn nur so flüchtig. Vielleicht war er in Eile. Aber vielleicht war die Eile nur vorgeschützt, und er hat etwas gegen ihn. Und was? Er hat ihm nichts angetan; der bildet sich da etwas ein. Wenn jemand von ihm ein Werkzeug borgen wollte, er gäbe es ihm sofort. Und warum sein Nachbar nicht? Wie kann man einem Mitmenschen einen so einfachen Gefallen ausschlagen? Leute wie der Kerl vergiften einem das Leben. Und dann bildet der Nachbar sich noch ein, er sei auf ihn angewiesen. Bloß weil er einen Hammer hat. Jetzt reicht’s ihm aber wirklich. Und so stürmt er hinüber, läutet, der Nachbar öffnet, doch noch bevor er „Guten Morgen“ sagen kann, schreit ihn unser Mann an: „Behalten Sie Ihren Hammer, Sie Rüpel!“
Ein Irrgarten im Kopf
Denken ist nicht immer hilfreich. Manchmal verlaufen wir uns im Irrgarten unserer Gedanken.
Aber denken ist nicht nur nutzlos. Es kommt halt darauf an.
Einen Hammer wird der Mann so nicht bekommen, und die gute Beziehung zum Nachbarn ist auch dahin. Die Lösung seines Problems, ein Bild aufhängen, kann er in den Wind schreiben.
Aber hat er nicht dennoch einen Gewinn? Man kann sich fragen, wozu es denn gut ist, wenn er sich so verhält. Was könnte sein Gewinn sein?
Der Mann mit dem Hammer: seine Motive
Spekulieren wir mal so dahin. Drei Hypothesen;
1. Vom Nutzen der Feindbilder
Vielleicht wollte er gar kein Bild aufhängen, sondern lieber sich spüren, sich ereifern, sich mal wieder so richtig groß fühlen. Er zieht es vor im Nachbarn einen Feind zu sehen und sich selbst als anders zu erleben: ich bin gut, der andere ist böse. Wie wir sehen geht das sehr schnell und läßt sich leicht durchführen.
2. Unzufriedenheit
Eine andere Idee ist es, er mag das Bild eigentlich nicht. Oder er ist mit sich und der Welt unzufrieden. Oder er ärgert sich über sich, daß er zwar an alles gedacht hat, aber nicht an den Hammer.
Warum bin ich nicht so perfekt, wie ich es gern wäre. Verdammt, ich habe wieder mal einen Fehler gemacht. Das lasse ich nicht zu, wie soll ich das nur aushalten? Na, am besten gar nicht. Ich suche mir einen anderen (Nachbar, Ehepartner, Kinder, Hund) der halt gerade ist, der noch blöder ist als ich. Das fühlt sich gut an.
3. Minderwertigkeitsgefühl
Der Mann könnte den Nachbarn einfach um den Hammer bitten.
Ja, aber damit würde er doch zeigen, daß er von seinen Mitmenschen abhängig ist. Das geht gar nicht. Er muss alles alleine schaffen.
Und wenn ich andere um etwas bitten muss, bedeutet es, dass ich mich auf der Stufe eines Bittstellers befinde. Mich unterlegen fühlen, nee, das ertrage ich nicht.
Fazit
Was zeigt uns die Geschichte mit dem Hammer auch heute noch: Wir können uns diesen Mann als einen glücklichen Menschen vorstellen. Er ist froh seinen Gefühlen Luft verschafft zu haben. Außerdem denkt er, daß er im Recht ist. Seine Welt ist wieder in Ordnung.
Ohne Hammer. Ohne Hilfe. Und allein.
Und das Gegenteil?
Ist auch wahr.
Literatur:
Watzlawick, Paul: Anleitung zum Unglücklichsein. Piper Verlag, 1983 Erstausgabe