Wie man sich Freund und Feind zugleich sein kann – auf dem Weg zu mehr Selbstakzeptanz.
AUF DEN PUNKT.
- Wir sind uns stets Freund und Feind.
- Selbstakzeptanz ist friedliche Koexistenz mit uns selbst
- Ein neutraler Selbstbeobachter ist unser größter Schatz
Ich möchte Ihnen eine Geschichte erzählen in der es darum geht, wie man sich selbst Freund und Feind zugleich sein kann, oder konkreter, wie man aus Selbstvorwürfen und Selbstzweifeln zu mehr Selbstakzeptanz gelangen kann.
Der beste Weg um über Probleme zu reden.
Ein alter Freund ruft mich an. Wir kennen uns schon lange und gut. Ich wundere mich, daß er zu dieser Tageszeit anruft. Nach einigem Hin und Her rückt er mit der Sprache raus, er hat ein Problem und weiß nicht wie weiter. Wir einigen uns darauf, daß dies am Telefon nicht so gut zu besprechen ist und ich lade ihn zu einem Gespräch unter vier Augen zu mir ein.
Als wir uns dann gegenüber sitzen, bemerke ich wie angespannt er ist und es ihm schwer fällt die richtigen Worte zu finden. Er macht sich Selbstvorwürfe, beschuldigt sich und geht streng mit sich ins Gericht. Ich höre zu und warte ab und nehme mir vor, viel Zeit und Geduld aufzubringen. Der beste Weg um über Probleme zu reden.
Mein Freund wird zuversichtlicher und es wird zunehmend klar, um was für ein Problem es sich handelt. Er redet jetzt offener und schaut mutig auf das, was er bei sich bemerkt hat. Mein Teil dabei ist ihm zuzuhören, ihm Zeit zu lassen zu erzählen, was er bemerkt hat. Ich bleibe geduldig und wohlwollend. Ab und zu stelle ich ihm eine Frage und ermuntere ihn, genauer hinzuschauen, was er beobachtet hat, wie er sich fühlt. Er ist zum eigenen Beobachter geworden. Es geht nicht darum, das Warum zu klären, sondern das Wozu, damit es gut weitergeht.
Ich bemerke, daß es ihm zunehmend leichter fällt seine Situation zu analysieren. Er versteht sein Problem besser und kann es eher annehmen. Auch erkennt er, was das Ganze mit ihm zu tun hat. Und er ist jetzt auch nicht mehr so sauer auf sich selbst. Unser Gespräch wird immer konkreter und er entwickelt Ideen, wie er sein Problem lösen kann.
Beim Abschied bedankt sich mein Freund für die Zeit, die ich ihm geschenkt habe. Er ist noch etwas verwundert über den Verlauf des Gesprächs. Am meisten überrascht es ihn, daß ich ihn nicht kritisiere und nicht verurteile, oder abwertende und negative Fragen stelle.
Ein Freund an meiner Seite
Diese Überraschung kann ich sehr gut nachempfinden. Denn wenn ich bei mir selbst nachschaue, wie ich auf Probleme reagiere, stelle ich fest, daß ich mir häufig mehr Feind als Freund bin. Anstatt mir geduldig zuzuhören, spiele ich die Gedanken herunter, als ob nichts passiert wäre. Anstatt mich zu beruhigen und zu besänftigen bin ich mir gegenüber ungerecht, abwertend und selbstkritisch.
Ich verstricke mich dann schnell in Selbstvorwürfen, pflege negative Gedanken über mich und die Welt. Der Weg ist dann nicht mehr weit zu den „bekannten“ Sätzen: Ich bin nicht gut genug, niemand mag mich, ich bin ganz allein.
Wie komme(n) ich/wir aus diesem Hamsterrad der negativen Gedanken wieder heraus?
Na ja, ein Freund an meiner Seite wäre keine schlechte Idee:
Ein Freund, ein guter Freund
Das ist das Beste, was es gibt auf der Welt
Ein Freund bleibt immer Freund
Und wenn die ganze Welt zusammenfällt.
(Die Drei von der Tankstelle, 1930)
Nicht immer ist ein guter Freund zur Stelle. Da ist guter Rat teuer, obwohl ein Freund an meiner Seite ja ständig da ist. Wir müssen ihn nur einladen. Die Lösung liegt eigentlich auf der Hand; sich selbst ein guter Freund zu sein, könnte ein Anfang sein. Wir sind doch immer mit uns selbst verbunden, ob wir es wollen oder nicht. Und die Frage dabei ist, ob der Freund oder der Feind in mir die Vorherrschaft übernimmt. Wir neigen als Menschen zu einem gewissen Dualismus, zu einem polaren Denken in gut und böse, schwarz und weiß, oben und unten, links und rechts. Aber niemand zwingt uns so zu denken, es gibt Alternativen. Eine davon ist das Einnehmen einer neutralen Haltung sich selbst gegenüber, einer Haltung des Sowohl-als-auch. Die Alternative wäre ein Keines-von-beiden, ein Weder-noch, eine Haltung des Ausweichens und der Vermeidung.
Beide Seiten anschauen
Erst wenn wir es schaffen eine neutrale oder eine distanzierte Position uns selbst gegenüber einzunehmen, können wir beide Seiten anschauen. Und weil wir es selbst sind, auf den wir schauen, wäre es keine schlechte Idee, dies mit Wohlwollen zu tun.
Der Mensch ist sich stets zugleich Freund und Feind (Hegel). Es hilft nicht den feindlichen Teil zu eliminieren – wir wären dann nur noch die Hälfte unseres Selbst.
Beiden Teilen einen guten Platz geben ist vernünftig, gerecht und damit freundlicher uns selbst gegenüber. In der Sprache der modernen Verhaltenstherapie nach der Akzeptanz-Commitment-Therapie (ACT) heißt das, uns selbst beobachten und uns annehmen wie wir sind. Ein Freund an meiner Seite, wie ein Schutzengel..
Im nächsten Artikel möchte ich Ihnen zeigen, wie Sie Selbstakzeptanz lernen können, um im täglichen Leben sich selbst ein guter Freund zu sein, ganz konkret in vier Schritten.